Fricsay, Mensch und Künstler
Seine in die Umwelt verstrahlende Güte, vereint mit einer in den Anderen hineinlauschenden Sensibilität, gaben dem Wesen Ferenc Fricsay ein einmaliges Gepräge.
In der Freundschaft und in der Liebe, wie auch in der Kunst und im Glauben drang er durch die Schale der zufälligen Oberfläche bis zum Kern vor. Und ist die Fähigkeit, Freude und Schmerz tief zu erleben, nicht das, was die Schönheit eines Menschen, unabhängig von Rasse, sozialem Stand und Talent ausmacht?
Nur sehr starke, phantasiebegabte, in einer Überwelt verwurzelte Naturen, wie die von Ferenc Fricsay, zerbrechen die sie einschliessende Glaswand der Berühmtheit, wie auch, die durch Krankheit errichtete Kreismauer.
Mit wachem Sinn für die Mitmenschen geboren, bewunderte er die Phantasie Gottes, die Milliar-den von Menschen schafft, ohne dass ein Gesicht dem anderen gleicht. Als Künstler zwischen-menschlicher Beziehungen hatte er ein heiteres Verhältnis zu Menschen und Dingen. Dem Starr-konventionellen, dem Engbegrenzten war er feind, aber auch dem Ungefähren und Sentimen-talen, diesen im Ausverkauf entstandene Gefühlen. Das lebendige Interesse für das Du verlieh seinen Briefen und Gesprächen einmaligen Zauber. Es ist nämlich etwas anderes, ob man einen Menschen anerkennt oder ob man ihn versteht. Letzteres ist mehr: Nähe ohne platte Zärtlich-keit, Ehrfurcht ohne Kälte.
Dieser vulkanhafte Mensch war ein Magier des Gesprächs und der Freundschaft.
Ich habe mit ihm in seinen zwei letzten Lebensjahren korrespondiert. Seine Briefe in einer leidenschaftlichen Handschrift glichen Lebewesen. Man hatte das Gefühl: der Absender selbst tritt in den Raum. Nie spürte man in seinen Zeilen die Besorgnis um literarische Vollendung oder gar den Schweiss der Arbeit, wohl aber immer den heissen schöpferischen Atem und den Zug zum grossen Format.
Schriftstellerin Zenta Maurina
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